Sentiero azurro-verde
- tanja0563
- 15. Mai 2023
- 4 Min. Lesezeit
Blau-grüner Pfad, so heißt der Wanderweg von dem ich heute einen kleinen Teil, nämlich die Etappe von Corniglia nach Vernazza, zwei der fünf Dörfer der "cinque terre", gegangen bin. Schon die Fahrt nach Vernazza war ein Abenteuer! Und selbst ohne die falschen Wege, die ich anfangs eingeschlagen hatte, war es eine Anfahrt von einer Stunde über sehr schmale, kurvige Straßen- aber mit gigantischen Panoramen.



Parken kann man in Vernazza gar nicht. Ich gebe zu, dass ich mit dem italienischen Nummernschild am ramponierten Auto etwas frecher unterwegs bin und wohl auch trotz verschiedener Schilder, die einen davon abhalten sollen, weiter Richtung Zentrum gefahren wäre, wenn mir nicht an einem Punkt wirklich eine Schranke den Weg abgeschnitten hätte! Irgendwie peinlich. Letztlich ist es ja super, dass die wunderschöne alte Stadt frei von Autoverkehr ist- bloß muss man vom Parkplatz halt was weiter laufen. Immerhin war ich noch früh genug, um einen der wenigen gratis-Parkplätze gegenüber des Bezahl-Parkplatz zu ergattern.
Vernazza selbst war aber auch um 9 Uhr schon geflutet von Touristen aus aller Welt. Das bringt die Ernennung zum Weltkulturerbe wohl mit sich. Somit bin ich spontan und fast fluchtartig in den Küsten-Zug gesprungen, der mich in drei Minuten zum nächsten Ort brachte. Über viele Treppenstufen ging es, gaaanz gemütlich- in Corniglia hoch zum alten, pitturesken Ortskern und von dort -nach einem zweiten Capucchino mit Brioche- auf den berühmten Wanderweg.
Der ist so berühmt und überlaufen, dass für zwei der Etappen (die von heute und die, die ich morgen gehe) sogar eine Fußgängermaut erhoben wird. Allerdings brauchte ich nur meinen Schwerbehindertenausweis vorzeigen und durfte ohne zu bezahlen weitergehen. Da sind die Italiener echt sehr kulant: ich habe auch nie das Gefühl, dass ein Mensch am Schalter sich anmaßt, anzuzweifeln, ob ich wirklich so behindert bin. Das ist in Deutschland anders, bilde ich mir zumindest ein.







Blick auf Corniglia:

Edo, den ich in Corniglia vom Bahnhof die Treppen im Arm hochgetragen habe, weil kleine Hunde ja nicht so viele Treppen gehen sollen, besonders wenn sie noch jung sind, hat sich irgendwann auf halbem Weg hingesetzt und gestreikt. Das ist ja auch sein gutes Recht und ich habe ihn in meinen fast leeren Rucksack gepackt. Das schien ihm gut zu gefallen!

Insgesamt war es so, dass es durch Edo echt leicht war, eine Verbindung zu den (vielen) Menschen aufzubauen. Nicht, dass ich das unbedingt gewollt hätte. Aber ich hatte die Wahl: mich ärgern oder "gestört" fühlen, dass so viele Leute diesen schönen Weg auch gehen wollen- oder die Gemeinsamkeit, das Interesse, dass ich offenbar mit diesen Menschen irgendwie teile, einfach zu feiern. Ich habe mich für letzteres entschieden. So stelle ich mir die Stimmung am Jakobsweg an manchen Stellen auch vor. Und sooo viele Leute haben gefragt, ob sie Edo streicheln dürfen oder man kam durch ihn ins Gespräch.
Wenn man mir leichter ansehen könnte, welche Sprachen ich spreche, hätte es sicherlich noch mehr nette Schlagabtausche gegeben. Ich verstehe ja außer deutsch, italiensich und englisch auch wohl Brocken Französisch und Spanisch und "le petit chiens"/"el perro" war oft Thema der Passanten ; )
Da ich sehr sehr langsam gehe, bin ich oft "rechts ran" und habe Leute vorbeigehen lassen und danach hatte ich auch wieder für eine Weile niemanden um mich. Ich fand es ganz ok und freu mich auf die zweite Etappe morgen, vielleicht noch ein Stündchen früher....auch weil es ab mittags- ÜBERRASCHUNG- mal wieder regnen soll :((

Apropos Mittags: kurz vor Vernazza, dem Zielort, habe ich mich in ein noch hoch oben gelegenes Fisch-Restaurant gesetzt. Die anderen vier hatten heute eine sehr viel längere und anspruchsvollere Tour direkt ab der Ferienwohung in Riccò del Golfo runter ans Meer gemacht, und deren Weg war kurz vorher auf meinen gestossen- ich konnte also damit rechnen, dass die vier genau an mir vorbeilaufen.

Und genauso war es! Ich mag es, wenn man sich auch ganz ohne Handy wiederfindet!! Lara und Ruth haben dann sogar noch mitgegessen.

Blick auf Vernazza






(Foto: Lara)
Insgesamt ein wunderschöner Tag. Hier noch etwas mehr Hintergrund-Info (Quelle: https://viel-unterwegs.de/reiseziele/italien/cinque-terre-sehenswuerdigkeiten/):
Seit 1997 gehören die Cinque Terre zum UNESCO Weltkulturerbe, weil die Schönheit der Dörfer ein perfektes Beispiel dafür darstellt, wie der Mensch in die Natur eingreifen kann und dabei Rücksicht auf die Landschaft nimmt. Das Besondere daran ist, dass es der einzige Nationalpark ist, der gegründet wurde, um etwa zu ehren, was von Menschenhand geschaffen wurde: die Bebauung eines Gebietes, das auf den ersten Blick unwirtlich erscheint.
Die Spuren der Besiedlung reichen bis weit in die Vergangenheit zurück. Bereits die Römer hinterließen Spuren in diesem Areal; die heutige Art der Bebauung der Cinque Terre Dörfer geht aber aufs 11. Jahrhundert zurück. Die Orte konnten sich jedoch nur entwickeln, indem sie rechts und links entlang der Felsen immer mehr in die Höhe wuchsen. So entstand das heute so markante Bild der Cinque Terre Region.
Die zauberhafte Kulisse der Cinque Terre Dörfer wird gerne mit „wundervollen, ursprünglichen Fischerdörfern“ beschrieben, dabei hat der Fischfang bei den Einwohnern nie eine bedeutende Rolle gespielt, sondern Wein- und Olivenanbau. Um das wenige Land, welches zur Verfügung stand, bestmöglich landwirtschaftlich zu nutzen, wurden in mühevoller Schwerstarbeit Terrassenebenen angelegt, die durch sogenannte Trockenmauern begrenzt sind. So konnten sehr erfolgreich Gemüse, Wein und Oliven angebaut werden.
Als in den 1870ern mit dem Eisenbahnbau begonnen wurde, wurden die Dörfer erstmals richtig an die Außenwelt angeschlossen - davor gab es nur den Zugang übers Wasser. Das veränderte auch die wirtschaftliche Situation der Dörfer - viele der Einheimischen pendelten nun in die Städte zum Arbeiten, die Landwirtschaft war nicht mehr länger der Haupterwerb.
Seitdem die farbenfrohen Dörfer in den 1970er Jahren vom Tourismus entdeckt wurden, änderte sich das Bild abermals und der Tourismus bildet mittlerweile mit Abstand die wichtigste Einnahmequelle.




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