top of page

23. Feuer des Lebens

  • tanja0563
  • 23. Dez. 2023
  • 3 Min. Lesezeit

ree

Es brennt, bis es erlischt. Nach Onkel Hermann und der lieben Karin hat es heute auch meine Cousine Andrea geschafft, den Lebenskreislauf in diesem Jahr zu schließen. Im Sommer 2022 haben wir Cousinen richtig schön Abschied in ihrem wunderschönen Zuhause in Langenhain bei Frankfurt gefeiert. Da war die Hoffnung, dass ihr noch viel Zeit bleibt, schon sehr karg und vor allem von Andrea's Beharrlichkeit und ihrem starken Überlebenswillen getragen. Möge sie nun in Frieden ruhen.


ree

Es bleibt so unfassbar traurig, wenn Eltern die eigene Tochter hergeben müssen. Andrea hinterlässt außer ihren Eltern, ihrer Schwester, Schwager und Nichte zwei tolle Söhne: Luca und Leonardo. Die beiden sind nun (fast) "groß" und ich mag die Vorstellung, dass Andrea in ihnen weiterlebt. Leo ist Segellfieger: als ich das erfuhr war ich so beeindruckt. Ich stelle mir vor, dass er beim Fliegen seiner Mama im Himmel ganz nah sein kann.


Andrea's Mann Christian ist Italiener: schon vor unseren jeweiligen Krebserkrankungen hatten Andrea und ich also eine gemeinsame Leidenschaft für das leckere Essen, goldenes Licht und das schöne Leben. Was Christian in den letzten Jahren durchgemacht und geleistet hat, macht mich schwindelig. Dieser Spagat zwischen einem "normalen" Leben mit Arbeit und Verpflichtungen einerseits und dem Ringen um Leben, Lebensqualität, Automie und letzlich dem Sterben der eigenen, geliebten Frau ist einfach unmenschlich. Und ich muss schlucken, wenn ich mir klarmache, wieviel Roberto von diesem Schicksal schon teilt und irgendwann wohl noch wird teilen müssen.


Als wir Kinder waren, hatte Andrea ein weißes Pony, das hieß Carino. Darum habe ich sie sehr beneidet. Carino ist auch italienisch und heißt "nett, lieb, adrett". Liebe Andrea, das Geschenk des Lebens- wir nehmen es dankend an, machen was draus und können dann nur klaglos weinen, wenn es uns genommen wird.


Andrea's Sterben hat schon die letzten Tage gefärbt. Heute morgen hat auch unsere italienische Verbindung mich zu einem Abstecher zu Perrone motiviert. Das ist ein Italia-Export-Supermarkt in der Nordstadt. Wenn man den Laden betritt und an der Bar einen Caffe trinkt, der sogar umsonst ist, dann ist es wie eine Kurzreise nach Italien. Es sieht aus wie in Italien, es riecht so, es hört sich so an und auch wie die Leute sich geben ist identisch. Was genau das ist, kann ich noch nicht in Worte fassen. Bei mir floss schon da wieder ein Tränchen.


Nach dem Italien-Stop habe ich dort in der Nähe das Auto geladen und mit Edo einen Spaziergang gemacht. Habe bei einem Metzger noch mit Glück ein halbes Suppenhuhn ergattert. Irgendwie war das auch ein "italienischer" Moment. Denn eigentlich war diese Metzgerei wohl eher auf Mettbrötchen mi Zwiebelringen spezialisiert. Als ich dann mein Anliegen, Huhn für Hühnerbrühe für selbstgemachte Tortellini vorbrachte, hat der Chef sich richtig reingehängt und tief im Kühlkeller gegraben und mir das alles sogar schön in Stücke geschnitten. Sehr nett. Hab meine Wertschätzung deutlich gezeigt, finde ich.


Weiter ging es zur Apotheke. Als nämlich meine Nacht heute morgen um 4 Uhr cortisonbedingt vorbei war, habe ich den Badezimmerschrank ausgemistet und festgestellt, dass so grundlegende Dinge wie Asprin, Paracetamol und Buscopan bei uns irgendwie fehlten. Nun nicht mehr.


Unterwegs in der Bonner Nordstadt berührte mich auch dieses Bild sehr. Umzug. Josef und Maria, die vor 2000 Jahren schwanger unterwegs waren und dann mangels Herberge im Stall einkehrten. All die Flüchtlinge, die heute, 2023, kein zuhause wie wir haben. Der Mann, den ich um Erlaubnis für das Foto bat und ihm viel Glück für seinen Umzug wünschte. Und Andrea, die nun in den Himmel umgezogen ist. Sieht es nicht so aus, als würden die Stühle sich an den Händen halten??


ree

Wieder zuhause habe ich Roberto bei der Tortellini-Produktion assistiert. Das habe ich vor 23 Jahren das erste mal gemacht, damals noch bei und mit seinen Eltern, die einen Feinkostladen in Bologna hatten und zu Weihnachten kiloweise Tortellini in Heimarbeit nach Geheimrezept produzierten. Inzwischen sind die Eltern und auch seine Schweser schon tot. Aber wir machen weiter an Weihnachten Tortellini. Das Fleisch für die Füllung hat Roberto im Herbst in Bologna gekauft und heute haben wir 2 Stunden lang bei entspannter Klaviermusik von Einaudi schweigend und zutiefst einträchtig Pasta gerollt, geschnitten mit Füllung betupft und dann zu Tortellini gewickelt. Die gibt es morgen Abend.


ree

Das Feuer des Lebens. Es flackert, es brennt, es erlischt. Und entflammt neu. Auch in der Liebe, die wir in uns haben und in die Welt tragen.





Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Kommentare

Mit 0 von 5 Sternen bewertet.
Noch keine Ratings

Rating hinzufügen

©2023 von Flow Wolf Fly. Erstellt mit Wix.com

bottom of page