22. Wertschätzung
- tanja0563
- 22. Dez. 2023
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Dez. 2023
Diese Vorweihnachts-Woche habe ich ja nun jeden Vormittag ein paar Stunden im Krankenhaus verbracht für diese hohe Dosis Kortison. Dabei konnte ich beobachten, wie viel Mühe sich viele Patienten machen mit kleinen Geschenken und Aufmerksamkeiten für das Pflegepersonal und oder die Ärzte. Ich bin da etwas zwiegespalten.... es ist so nett gemeint, und sicher machen die Mitarbeiter im Gesundheitswesen mehr als sie müssten - das ist ja fast Teil des Jobs dass sie MENSCHEN bleiben und nicht nur ihre Arbeitszeit, Arbeitskraft und Expertise verkaufen. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Beschenkten durch diese nett gemeinten Gesten und die zusätzlichen Aufwand noch gestresster waren als ohnehin. Und manch einer bleibt vielleicht unbedacht oder bekommt weniger als er "verdient" hätte...?
Ich kam auch heute zwar mit leeren Händen aber geduldigem Herzen, Respekt für die Arbeit, die dort geleistet wird und sitze dort eben auch als Mensch, nicht (nur) als Patient. Einer "neuen", die sich diese Wochevsehr bemüht aber auch viel verhandelt hatte, habe ich von Edo erzählt und ein Foto gezeigt. Und tatsächlich hat heute alles super geklappt. Die Spritze mit einer kleinen Butterfly-Nadel in der Onkologie-Ambulanz und dann durfte ich mich im anderen Trakt bei Prof. Ko vor das Sprechzimmer setzen.
Direkt als er von der Visite von der Palliativstation kam, winkte er mich flugs verschwörerisch mit in sein Besprechungszimmer herein, seine Frau (das ist die Ärtzin in der Onkoambulanz) kam auch schnell dazu, ich ließ ratzfatz die Hüllen fallen, um den Zustand meiner juckenden Haut begutachen zu lassen und über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Von 250mg Cortison aus der Flasche geht es nun runter auf 170mg in Tabletten und abends nochmal 50gm. Und gaaanz gaanz vorsichtig kann ich versuchen, ganz langsam die Dosis zu reduzieren. Die Doppel-Immuntherapie ist nach den erhaltenen zwei Dosen aber auf jeden Fall zuende, es geht -wenn die Untersuchung Ende Januar zeigt, dass es was gebracht hat, dann mit nur einem der beiden Wirkstoffe weiter.
Aber es wird erstmal noch Wochen dauern, zunächst diese Auto-Immun-Hautgeschichte auszustehen. Es ist eben kein Mückenstich oder etwas anderes von außen, dass diese Reaktion hervorruft, sondern dieser Checkpoint-Inhibitor, der nun halt in mir drin ist. Er macht, dass mein Immunsystem den Krebs bekämpft aber mein Immunsystem übertreibt etwas und bekämpft eben auch mich. Aber das sich wird schon alles geben, es ist wirklich schon besser geworden. Es "blühen" jetzt noch die Stellen, die erst später angefangen hatten (Beine, Arme). Und mit dem Doping-Effekt des Cortisons komme ich schon noch ein paar Tage klar. Es bleibt mir eh nichs anderes übrig.
Worauf ich eigentlich hinaus wollte: dieser Moment, wo die Ärtzin, mein Onkologe und ich da im Sprechzimmer saßen und ich meinte "ha, nun fehlt uns nur noch der Punsch", da war das wirklich Ausdruck von hier sitzen drei Leute, die wollen alle dasselbe und respektieren sich gegenseitig für den jeweiligen Beitrag zu dieser Mission.
Ich habe auch noch den gewünschten aktualisierten Artzbrief bekommen, falls über die Feiertage oder 26.-29. in Nordhorn jemand sowas wie eine Gebrauchsanleitung für mich brauchen würde und außerdem darf ich mich bei Bedarf jederzeit per email melden.
Ich weiß, dass das überhaupt nicht selbstverständlich ist. Meinen Dank dafür, mich dort so gesehen und gut unterstützt zu fühlen, könnte ich nicht in selbst gebackenen Keksen oder Sektpräsenten ausdrücken. Aber ich bin sicher, dass sie es trotzdem wissen, weil ich diesen Dank ganz ehrlich spüre. Ich empfinde es nicht als Geiz oder Nachlässigkeit, mein Gefühl auch ohne Präsentkorb zu haben und zu zeigen, sondern eher als "Mut zur Lücke". Manchmal, gerade wenn einem überhaupt nicht passendes Materielles über den Weg läuft oder in den Sinn kommt, ist weniger vielleicht mehr, oder was meinst Du?
So ein heiß gestrickter Artzbrief hat natürlich immer kleine Fehler- den aktuellen finde ich sehr putzig: "Seit September 2023 fortschreitende ERRANKUNG". Da rankt nämlich die Hoffnung, dass diese tolle Therapie und Betreuung dem ganzen Verlauf nochmal einen Riegel vorschiebt oder Dämpfer verpasst.

Als ich nach Krankenhaus, Apotheke, Mini-Einkauf und einem gemütlich-geselligen Stop in meinem Lieblings-Secondhand-Laden gegen 12 Uhr heim kam, schliefen alle anderen noch. Bestimmt richtig so, die müssen sich mal richtig ausschlafen. Roberto war tatsächlich erst gegen 6 Uhr morgens mit dem Zug aus Berlin zurück gekommen und Emilia ist ja in der Pubertät..... Mit dem Duft von leckerem Meeresfrüchte-Risotto konne ich dann aber zum Mittagessen alle an den Tisch locken ; )
Der Rest des Tages war ebenso gemütlich, mit vielen kleinen Geschenken, Austauschen....und vielen Pausen, Nickerchen. Ein Spaziergang mit Maura (und Edo)....und ich hab einen Stapel Rechnungen bezahlt und ganz viel zur Erstattung bei der Krankenkasse eingereicht und direkte Zahlungen von sehr hohen Rechnungen angewiesen. Bin froh, dass ich das erledigt habe.
Der krönende Abschluß des Tages war ein sehr nettes, authentisch-menschliches Beisammensein bei Traude und Stephan in Dersdorf. Die beiden leben in einem Hof (den sie gleichzeitig renovieren) und haben dort einen tollen Innenhof. Schade dass ich vergaß, Fotos zu machen. Es war aber nicht nur ästhetisch ein großes Vergnügen, die beiden haben stets so nette Gäste und das Talent, dass man sich total willkommen und gewertschätzt fühlt. Einfach schön, da sein zu dürfen.
Und da schließt sich nun überraschend doch noch der Kreis, ich dachte schon ich schreib mir heute einen Wolf. Sowohl heute morgen im Krankenhaus als auch heute abend habe ich Situationen erleben dürfen, in denen ernsthaft, menschlich, authentisch Wertschätzung empfunden, gelebt und gezeigt wird. Und das finde ich etwas sehr Schönes und das möchte ich noch mehr machen. Denn es kommt an und es ändert etwas.




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