Ziemlich beste Freunde
- tanja0563
- 17. Feb. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Das war der Titel der Wanderausstellung im Macke-Haus, die ich heute zusammen mit anderen ILCO-Mitgliedern und organisiert von Frauke Wollenweber, besucht habe. Heute war (leider!) der letzte Tag dieser Sonderausstellung und wir bekamen eigens eine Führung, bei der das Leben mit Behinderung besonders im Vordergrund stand.
Die beiden Nachbarskinder Hans Thuar und August Macke sind neun und zehn Jahre alt, als sie sich anfreunden. Sie teilen die Begeisterung für die wilden Spiele im Neubaugebiet am Kölner Strandrand und japanischen Holzschnitten, die Vater Thuar in seiner Grafiksammlung verwahrt. Als Thuar ein Jahr später bei einem Pferdebahnunglück beide Beine verliert, ist es August Macke, der dem Freund durch seinen Humor den Lebensmut zurückgibt und den Freund ein Jahr lang jeden Tag im Krankenhaus besucht. „Damals erfand er das Karikaturenzeichnen, ich mußte doch lachen, ich sollte doch um jeden Preis lachen!“
Nach einer kurzen, engen Zusammenarbeit in Bonn, trifft Mackes früher Tod als Soldat im Ersten Weltkrieg Thuar so sehr, dass er seine künstlerische Arbeit beendet. Als er Anfang der 1920er Jahre wieder mit dem Malen beginnt, entstehen großartige hochexpressive, leuchtend farbige, ganz eigenständige Kompositionen – „expressiv bis zum Bersten“ wie August Mackes Sohn Wolfgang urteilt. Gleichzeitig bringen Inflation und Wirtschaftskrise die inzwischen fünfköpfige Familie immer wieder an den Rand des Existenzminimums. Zudem machen Thuar die körperlichen Einschränkungen seelisch zu schaffen.
Kunsthandwerkliche Arbeiten, selbst entwickelte Salben und Cremes, der Betrieb einer Tankstelle und eines Cafés sowie schließlich die Eröffnung eines Ladens tragen zum Lebensunterhalt bei. Doch es ist der große Freundeskreis, zu dem auch Mackes Witwe und ihre beiden Söhne gehören, der ihm die nötige Inspiration verleiht. Als Mackes Sohn Wolfgang und Thuars Tochter Gisela an Weihnachten 1937 heiraten, wachsen die beiden Künstlerfamilien endgültig zusammen.
Mich haben ein paar Dinge von gestern und heute ziemlich nachdenklich gemacht. Ich weiss nicht, ob ich das gut erklären kann.
Zum einen empfinde ich es als ein riesiges Geschenk, wenn man von empatischen und hilfsbereiten Menschen umgeben ist wie ich. Eigentlich alle Freundinnen, die mir jetzt so in den Sinn kommen, überraschen mich immer wieder mit ganz spontanen, natürlichen Hilfsangeboten. Teilweise stutze ich dann zunächst, weil ich gar nicht auf die Idee gekommen wäre, an dieser oder jeder Stelle Hilfe oder Unterstützung gebrauchen zu können ("Geh Du an der Seite mit dem Treppengeländer", "Lass mich mal Deine Tasche nehmen", "schaffst Du das alleine oder soll ich mitkommen?"). Ich fühle mich durch diese Angebote sehr lieb gehabt. Und bin nicht sicher, wie automatisch mir selbst im Gegenzug solche Ideen kämen. So wie August Macke, der seinen Freund im Krankenhaus mit Karikaturen und Szenen aus dem Leben aufmuntern und an seinem Leben teilhaben lassen wollte. Das hat alles was mit "menschlich" sein zu tun, oder?
Es gibt andere Situationen oder vielleicht eben auch andere Leute, da werde ich eher ungehalten, wenn mir zB von der Familie ein Sitzplatz aufgedrängt wird. Mir ist schon rausgerutscht "manno- ich bin doch nicht behindert!" was mit einem schiefen Lächeln quittiert wird, da ich einen Grad der Behinderung von 100 habe. Ich weiss noch nicht, wo genau der Unterschied liegt, aber ich werde es (und mich) mal kritisch beobachten.
Ja und damit bin ich schon beim zweiten Thema. Dazu passt auch das heutige Bild: Die Schnecke in der Dornenhecke. (den Märzenbecher von gestern hab ich dem gestrigen Beitrag hinzugefügt).


Die Schnecke, die so empfindlich ist und nur ganz zögerlich aus ihrem Schneckenhaus gekrochen kommt und dann von pieksigen Blättern und spitzen Dornen umzingelt ist. Die Analogie dazu ist folgendes: ich bin ja eigentlich gern pünklich, also ich hasse es, zu spät zu kommen. Je mehr -ja man kann es ruhig so nennen- Behinderungen ich habe, umso schwieriger ist es für mich, genug Zeitpuffer einzuplanen um wirklich pünktlich zu sein. Und heute ist noch ganz was anderes dazugekommen: der Mut zur Lücke hat mich kalt erwischt.
Also ich war eigentlich ganz stolz, mit zunehmendem Alter verinnerlicht zu haben, dass man nicht immer überall jedesmal dabei sein muss, sondern auch zu einer Gruppe gehören kann, wenn man ab und zu fehlt. Ich muss inzwischen auch nicht mehr immer alles ganz genau wissen, so ungefähr reicht auch- Mut zur Lücke halt. Und seit ich mich im Januar für den Museumsbesuch heute angemeldet habe, bin ich immer davon ausgegangen, dass sich das Museum beim Akademischen Kunstmuseum, an einer der beiden kurzen Seiten des Hofgartens befindet. Noch als ich dort neulich eine Stündchen auf einer Bank saß und mit Ellen telefoniert habe, dachte ich "ach, Samstag bist Du wieder hier".
Tja. also ich heute etwas knapp in der Zeit und dennoch vor Schweiß triefend dort ankam, musste ich feststellen, dass das Gebäude momentan eine Baustelle ist und ein Blick in die Einladung von Frauke und das LESEN derselben brachte mir die Erkenntnis, dass mein Ziel auf der anderen Seite der Innenstadt liegt. Ich bin dann 20 Minuten zu spät gekommen aber es war gar kein großes Problem, ich konnte mein Ticket kaufen einfach zu der Gruppe stoßen. Der Ticketverkäufer war sogar Christian H., ein früherer Studienkollege, den ich jetzt etwa 30 Jahre nicht gesehen und doch wiedererkannt hatte. Am Ende des Museumsbesuchs haben wir uns auch ein wenig ausgetauscht, aber da hatte ich mich zeitgleich über ein zufälliges zusammentreffen mit Hanna gefreut. Also das Zu spät kommen, war kein Drama, aber das Drama war in meinem Kopf: wenn ich ganz entspannt und ohne es auch nur eine Sekunde kritisch zu hinterfragen, meine Plaung auf der falschen Annahme basiere, dass das Macke-Haus am Hofgarten ist- wie viele andere falsche Annahmen flechte ich in meine Entscheidungsprozesse ein???
Man sagt so schön: "ich weiss, dass ich nichts weiß". Aber was, wenn man sich so vorkommt, als wäre es egal, nicht alles zu wissen (Mut zur Lücke) aber das, mit was man die Lücke überbrücken will, ist völliger Quatsch!?? Für mich fühlt sich das an wie gehen auf dünnem Eis. Woher kann ich denn wissen, was in meinem Kopf gesichertes Fakenwissen oder eine auch sonstwie geartete Art von "Wahrheit" ist und was Annahmen???? Schnecke auf der Dornenhecke halt......




Kommentare