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Tschüß, Karin!

  • tanja0563
  • 1. Aug. 2023
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Aug. 2023

Heute hat mich natürlich vor allem Karin’s Tod beschäftigt. Ich kannte sie seit 2014 aus dem Chor. Wir sangen zusammen im Sopran, wobei es ja so ist, dass man in der Gruppe zunächst nicht so sehr die einzelne sieht, sondern, gerade im Chor, das Gemeinschaftsergebnis. Aber im Laufe der Jahre haben sich unsere Wege auch an vielen anderen Stellen gekreuzt (ILCO, kreatives Schreiben, Frauenselbsthilfe Krebs,…) und so verbunden, dass wir Freundinnen geworden sind.


Es gab dafür aus meiner Sicht ein Schlüsselerlebnis. Am 16.10.2017 feierte der Verein für Bonner Altenhilfe sein 50. Jubiläum. Karin Robinet hatte als Kuratorin des Vereins eingefädelt, dass wir als Evergreen Chor zu dem Bühnenprogramm im Augustinum beitragen durften. Eckhart von Hirschhausen war auch da und gab ein paar Possen zum Besten und hinterher gab es einen Umtrunk. Es war sehr feierlich und nett.


Ganz zum Schluss, beim Aufräumen, fiel mir auf einem verlassenen Tisch eines der feilgebotenen Hirschhausen-Bücher ins Auge, das da ganz einsam und verlassen lag. Ich hatte das Buch selbst schon, sogar schon gelesen, aber als Bücherfreundin tat es mir in der Seele weh, das Buch da so einsam und verlassen (vergessen?) liegen zu sehen und steckte es kurzerhand ein. Ich weiß nicht, was ich damit vorhatte, es war einfach ein Impuls, das Buch zu „retten“. Allerdings wurde ich dabei von Leuten beobachtet, die das weniger als gute Tat, sondern als Diebstahl bewerteten. Karin kam dann am Tag darauf die Aufgabe zuteil, mich zur Rede zu stellen, sie war richtig sauer. Das Buch war doch nicht meines gewesen, wieso zum Teufel hatte ich es an mich genommen? Das fragte ich mich dann auch und die Lektion habe ich gelernt: „was nicht Dir gehört, fasse am besten gar nicht erst an“. Ich denke, in den Gesprächen mit den entsprechenden Personen konnte ich den Verdacht der Böswilligkeit am Ende ausräumen und auch Karin kam nie mehr darauf zu sprechen.


Aber ich habe auch noch etwas anderes gelernt: Man darf nie annehmen, dass die Leute einen (er)kennen. Wenn man über 40 ist, hat man ja schon viel Zeit mich sich verbracht und hat im Idealfall auch Menschen, die einen lange und gut kennen. Aber gerade bei Gruppen-Aktivitäten (die ich ja sehr liebe) sollte man sich stets vor Augen führen, dass die anderen einen eben NICHT so gut und so lange kennen, man keinen "Heimvorteil" hat. Das ist erschreckend und gefährlich, weil einem vielleicht leichter Böses unterstellt wird. Aber es ist auch eine Chance: man kann sich immer wieder neu erfinden und sich so zeigen, wie man wirklich sein möchte!


Diese Episode war mir eine Mahnung, sich nicht gehen zu lassen, stets bewusst und überlegt zu handeln und nie aufzuhören sich zu bemühen, wirklich so zu sein, wie man sein will. Und die Verbindung zu Karin ist dadurch erst richtig zum Leben erwacht.


Karin’s 60. Geburtstag 2018 war ein großes Event und sehr schön. Im Winter darauf war sie auffallend müde. Ich habe sie und Klaus manchmal im Auto mitgenommen zur wöchentlichen Chorprobe und da fällt das natürlich auf. Ich glaube, im Frühling 2019 hatte sie dann ihre (Eierstock-)Krebsdiagnose und kurz darauf einen künstlichen Darmausgang so wie ich. Da saßen wir nochmal mehr "im selben Boot". Als sie aufhörte zu arbeiten, hatten wir Gelegenheit für gemeinsame Spaziergänge, Spieleabende, und einfach für viel guten und intensiven Austausch in Phasen, wenn es der jeweils anderen gerade mal schlechter ging.


Durch Karin habe ich auch gelernt, dass ich nicht mehr gut „zusammen“ Radfahren kann: beim Nebeneinander fahren auf dem Rückweg von einer Chorprobe im Sommer 2019 (?) war mir kurz schwindelig geworden und ich war ihr ins Rad gefahren/gefallen- sie erlitt mehrere Rippenbrüche dabei- das tat mir soo leid!!


Meine Liebe zur Natur und zu Blumen wird mich stets an Karin erinnern. Sie hat lange für das Bundesamt für Naturschutz gearbeitet und war Vorreiterin, was naturnahes Gärtnern angeht. Im Verein Lebensqualität Alter (LeA) und der Wohngemeinschaft für Demenzkranke setzte sie im Garten solche Akzente. Und fädelte fürs Frühlingsfest natürlich gern einen Evergreen-Chor-Auftritt ein. Mein Quittenbäumchen ist sowieso Karin gewidmet und nun pflanze ich noch ein paar neue Stauden zu ihren Ehren.


Im Vorstand der Vebowag (Bonner Wohnungsbau-Gesellschaft) war sie auch bis zuletzt aktiv und erlebte vor 2 Wochen noch die Einweihung ihres Pilotprojekts „Wohnungstausch in Bonn“ in ihrer Nachbarschaft. Hier unterstützt man ältere Menschen beim Umsiedeln in eine kleinere, barrierefreie Wohnung und schafft so Wohnraum (und mehr) für andere.


Das sind nur kleine Blitzlichter auf eine ganz tolle Frau, die stets neue Ideen und Projekte hatte. Noch vor zwei Wochen hatte sie einen Chor-Auftritt auf ihrer Palliativ-Station in der Helios-Klinik organisiert. Heute war die erste Chorprobe, bei der wir sicher wussten, dass sie niemals wieder mitsingt. Es brannte stattdessen eine Kerze in der Mitte. Möge sie in Frieden ruhen. Vergessen wird sie nicht, in unserer Erinnerung und unseren Herzen lebt sie weiter.


ree

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