1 von 20 geschafft: die Kunst der kleinen Schritte
- tanja0563
- 14. Feb. 2023
- 2 Min. Lesezeit
So, die erste Bestrahlung hab ich hinter mir. Der Spaziergang hin und zurück durch den Wald war prima. Dass Edo vor der Praxis (sehr abgelegen im Hinterhof des Waldkrankenhaus gelegen) entspannt auf mich wartet, das müssen wir noch etwas üben...ähm. Aber wir haben ja noch genug Gelegenheit dazu, wenn das Wetter so schön bleibt.

Kaum wieder zu Hause war ich am Abend sogar noch bei der Chorprobe; der nette Abholservice machte es leichter, mich aufzuraffen. Nun bin ich aber ganz schön k.o. und erinnere mich an Beppo den Straßenkehrer und Momo:
Der alte Straßenkehrer Beppo verrät seiner Freundin Momo sein Geheimnis. „Siehst du, Momo“, sagte er dann zum Beispiel, „es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Strasse vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man.“Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort: „Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedesmal, wenn man aufblickt, sieht man, daß es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen.“
Er dachte einige Zeit nach: Dann sprach er weiter: „Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muß nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten.“
Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte: „Dann machte es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“
Und abermals nach einer langen Pause fuhr er fort: „Auf einmal merkt man, daß man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste.“ Er nickte vor sich hin und sagte abschließend. „Das ist wichtig.“
Quelle: Momo von Michael Ende
Diese Geschichte passt natürlich nicht nur auf die ja im Grunde läppischen 20 -nun noch 19- Bestrahlungstage, sondern auf das Leben mit der Krebserkrankung im Allgemeinen und auf jedes andere Langzeit-Projekt. Heute sind es genau 9 Jahre seit der Erstdiagnose. Gut, dass ich damals noch nicht wusste, was vor mir lag. Und gut, dass ich jetzt nicht weiss, was noch vor mir liegt. Aus jedem Moment das Beste machen, Augenblicke der Freude genießen, Spielen, Singen, Spazieren,....das erscheint mir eine gute Strategie zu sein. Danke, dass Du dazu einen Betrag leistest, in dem Du einfach DA bist!




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